Im Jahre 1769 erschien im schweizerischen Neuchâtel eine Zeitungsannonce, die für das Elixier „Bon Extrait d’Absinthe“ warb. Dahinter verbarg sich eine Kreation der beiden Schwestern Henriod, die aus Alkohol, Wermut, Anis, Zitronenmelisse und weiteren Kräutern ein belebendes Allheilmittel gebraut hatten.
Dr. Ordinaire, ein französischer Revolutionsflüchtling, übernahm die Rezeptur und verbreitete das Mittel. Schon früh hatte man bemerkt, daß es das Gemüt auf eine ganz besondere Weise stimulierte, auf eine Weise, wie andere Alkoholika oder vergleichbare medizinische Substanzen es nicht zu tun pflegten.
So wurde es bald als La Fée Verte bekannt, als Die Grüne Fee: die Erfolgsgeschichte des Absinths hatte begonnen. Aufgrund der regen Tätigkeit des Dr. Ordinaire wurde Absinth so eng mit ihm in Verbindung gebracht, daß auch heute noch die Legende kursiert, er selbst habe ihn erfunden.
Durchbruch
Kurz vor der Jahrhundertwende handelte Henri Dubied den Henriod-Schwestern das Geheimrezept ab und errichtete wenig später mit seinem Schwiegersohn Henri-Louis Pernod die erste Absinthdestillerie.
Pernod begann 1805 mit seiner eigenen Produktion im französischen Pontarlier. Während der nächsten 40 Jahre fand Absinth in Frankreich allerdings kein überragendes Interesse, so daß die Fabrik in dieser Zeit gerade einmal 400 Liter am Tag verließen.
Zum großen Durchbruch verhalf dem Absinth der Krieg, den Frankreich Mitte des 19. Jahrhunderts in Algerien führte. Ob nur zur Bekämpfung von Mikroben oder gar zur Steigerung der Kampfmoral, die Truppen erhielten Absinthrationen, und als sie dann nach Frankreich zurückkehrten, machten sie Absinth dort schnell populär.
Pernod konnte die Produktion auf 20.000 Liter am Tag steigern und dann bis Ende des Jahrhunderts noch einmal verfünffachen. In Pontarlier gab es zu diesem Zeitpunkt bereits mehr als 20 Destillerien, und Absinth hatte mit amerikanischen Metropolen wie New York, Chicago, San Francisco und New Orleans, mit Buenos Aires, Madagaskar, Indochina und Tahiti fast alle Teile der Welt erreicht.
Blütezeit
Pernod konnte die Produktion auf 20.000 Liter am Tag steigern und dann bis Ende des Jahrhunderts noch einmal verfünffachen. In Pontarlier gab es zu diesem Zeitpunkt bereits mehr als 20 Destillerien, und Absinth hatte mit amerikanischen Metropolen wie New York, Chicago, San Francisco und New Orleans, mit Buenos Aires, Madagaskar, Indochina und Tahiti fast alle Teile der Welt erreicht.
Unübertroffen jedoch blieb der Erfolg des Absinths in Frankreich. Dort hatte er gegen Ende des 19. Jahrhunderts längst alle Schichten der Bevölkerung erobert. Für Alkoholisches war man ohnehin offen, und nun trank man zu jeder Tageszeit Absinth.
Am Nachmittag, während die Engländer an ihren Teetassen nippten, füllten sich die Cafés und Restaurants, in den Gläsern schimmerte es grünlich, La Fée Verte zauberte einen Glanz auf die Augen und weckte den Esprit. Diese dem Absinth geweihte Stunde hieß schon bald l’heure verte.
Den größten Zuspruch fand Absinth seit jeher bei Künstlern, Intellektuellen und Bohemiens. Diese tranken ihn nicht nur bei jeder Gelegenheit, sondern experimentierten mit seiner Wirkung, ließen sich vom Rausch inspirieren, gaben sich der Wahrnehmungsveränderung hin.
Zu den namhaftesten Absintheuren zählten Baudelaire, Manet, Verlaine, Rimbaud, Oscar Wilde, Degas, Toulouse-Lautrec, van Gogh, Gauguin, Picasso. Von der Beliebtheit, deren sich Absinth in diesen Kreise erfreute, zeugen zahlreiche Anekdoten und Legenden sowie die vielen Gemälde und Gedichte, die den Absinth zum Sujet haben.
Über das Werk Toulouse-Lautrecs wurde gesagt, seine Bilder seien völlig in Absinth gemalt. Damit war wohl in erster Linie die halluzinative Strahlkraft gemeint, die von vielen seiner Gemälde ausgeht, gleichzeitig aber auch angedeutet, daß Toulouse-Lautrec dem Absinth ausgesprochen zugetan war, was schließlich dazu führte, daß er eine dreimonatige Entziehungskur über sich ergehen lassen mußte.
Für den Dichter Verlaine gehörte der Absinthkonsum so sehr zum täglichen Leben wie zu seinem Selbstverständnis, daß er aus seinen Trinkgewohnheiten eine Grußformel machte. Ein Literat schreibt über seine Begegnung Verlaine auf einem belgischen Bahnhof:“ Ein Fenster einem Wagen der dritten Klasse öffnete sich mit groß Geklapper und umrahmte das faunartige Gesicht des alten Er rief: ‚Ich trinke ihn mit Zucker!‘ Das war offenbar üblicher Gruß, wenn er auf Reisen war, eine Schlachtruf oder Parole.“
Baudelaire, der Verfasser des Gedichtsbands Les Fleurs mal, wurde zum Urvater aller Punks, indem er sich seine Haare bunt färbte – er wählte Grün, die Farbe des Absinths.
Wie der Maler Gauguin berichtet, hat ihm van Gogh einmal im Laufe einer Auseinandersetzung sein Absinthglas ins Gesicht geschüttet. Am nächsten Morgen konnte sich van Gogh an nichts erinnern. Drei Tage später schnitt er sich dann in einem Zustand geistiger Umnachtung seine linke Ohrmuschel ab, steckte sie in einen Briefumschlag, gab diesen einer Prostituierten und trug ihr auf, ihn gut zu bewachen…
Verbot
Bis in die späten siebziger Jahre des 19. Jahrhunderts hinein war Absinth ein Luxusgetränk. Dies änderte sich, als die Reblauskatastrophe eine Weinernte nach der anderen zunichte machte und die Konsumenten sich noch mehr auf den Absinth verlegten.
Da zahlreiche Absinthdestillerien nun nicht länger Branntwein, sondern aus Zuckerrohr oder Getreide erzeugten Industriealkohol verwendeten, wurde Absinth gleichzeitig billiger, so daß er auch für die Arbeiter erschwinglich wurde. Dies trug dazu bei, daß der Absinthkonsum bis zum 1. Weltkrieg noch einmal um das Fünfzigfache anstieg.
Mit der massenhaften Verbreitung gingen unterschiedlich motivierte Bestrebungen einher, Absinth zu verbieten. Ärzte und Wissenschaftler versuchten nachzuweisen, daß Absinth für alle erdenklichen Übel der Zeit verantwortlich war, von Epilepsie und Impotenz über Tuberkulose und Syphilis bis hin zu Kriminalität, Suizid und Wahnsinn.
Ein Absinthgegner verkündete:“Wenn Absinth nicht verboten wird, wird unser Land bald eine riesige Gummizelle sein, in der die Hälfte der Franzosen damit beschäftigt ist, die andere Hälfte in Zwangsjacken zu stecken.“
Klerikale und konservative Kreise sahen im Absinth die Ursache für Sittenverfall und Umstürzlertum. Ein führender Journalist schrieb:“ Ich bin für Wein und gegen Absinth, so wie ich für die Tradition und gegen die Revolution bin.“
Die Linke hingegen meinte, Absinthkonsum würde das Klassenbewußtsein aushöhlen. Das sozialistische Blatt L’Humanité erklärte, der absinthtrinkende Arbeiter sei “ nicht nur ein schlechter Vater und ein schlechter Arbeiter, sondern auch ein verachtenswerter Genosse, der die gesamte Arbeiterschaft verrät.
Die Antialkoholbewegung mühte sich gar, den Teufel mit dem Beelzebub auszutreiben, verbündete sich mit den Weinbauern und propagierte Wein als heilbringenden Ersatz.
Gleichwohl konnten die Gegner des Absinths im Parlament keine Mehrheit für ein Verbot zustandebringen – nicht zuletzt weil der florierende Absinthhandel beträchtliche Steuereinnahmen garantierte.
Mit dem Anwachsen der politischen Spannungen in Europa zu Beginn des 20. Jahrhunderts ergriff jedoch die französische Generalität immer striktere Maßnahmen gegen den Absinthkonsum innerhalb des Militärs, weil man befürchtete, er unterminiere die Verteidigungsfähigkeit der Nation.
Unmittelbar nach Ausbruch des 1. Weltkrieges erließ die Regierung auf Drängen der Militärführung ein landesweites Verkaufsverbot für Absinth. Wenige Monate später folgte das Parlament diesem Beschluß und verabschiedete ein Gesetz, welches die Herstellung und den Verkauf von Absinth untersagte. Dieses Gesetz trat im März 1915 in Kraft.
In dieser Zeit wurde Absinth auch in den meisten anderen europäischen Staaten sowie in den USA verboten. Zwar wurden ohnehin weltweit prohibitionistische Gesetze erlassen, doch blieb Absinth die einzige Spirituose, die jemals ein spezielles Verbot traf, das auch nach dem Ende der Prohibition nicht wieder aufgehoben wurde.
In Frankreich wurde als Absinthersatz Pastis auf den Markt gebracht, ein Anisschnaps, der jedoch keinen Wermut enthält. Aber auch der echte Absinth wurde in kleineren Mengen weiterhin hergestellt, so in Spanien und Portugal, wo er niemals illegal war, oder in Böhmen sowie der französischen Schweiz, der Heimat des Absinths, wo sich bis heute eine rege Schwarzbrennertradition erhalten konnte.
Mit dem Anwachsen der politischen Spannungen in Europa zu Beginn des 20. Jahrhunderts ergriff jedoch die französische Generalität immer striktere Maßnahmen gegen den Absinthkonsum innerhalb des Militärs, weil man befürchtete, er unterminiere die Verteidigungsfähigkeit der Nation.
Unmittelbar nach Ausbruch des 1. Weltkrieges erließ die Regierung auf Drängen der Militärführung ein landesweites Verkaufsverbot für Absinth. Wenige Monate später folgte das Parlament diesem Beschluß und verabschiedete ein Gesetz, welches die Herstellung und den Verkauf von Absinth untersagte. Dieses Gesetz trat im März 1915 in Kraft.
In dieser Zeit wurde Absinth auch in den meisten anderen europäischen Staaten sowie in den USA verboten. Zwar wurden ohnehin weltweit prohibitionistische Gesetze erlassen, doch blieb Absinth die einzige Spirituose, die jemals ein spezielles Verbot traf, das auch nach dem Ende der Prohibition nicht wieder aufgehoben wurde.
In Frankreich wurde als Absinthersatz Pastis auf den Markt gebracht, ein Anisschnaps, der jedoch keinen Wermut enthält. Aber auch der echte Absinth wurde in kleineren Mengen weiterhin hergestellt, so in Spanien und Portugal, wo er niemals illegal war, oder in Böhmen sowie der französischen Schweiz, der Heimat des Absinths, wo sich bis heute eine rege Schwarzbrennertradition erhalten konnte.